Radio ist im Mediamix weiterhin unverzichtbar. New business (nb) sprach mit Manuela Ulrich, Gruppenleiterin Beratung bei der Mediafabrik Berlin, über das Vertrauensmedium Radio, dessen Branding-Leistung und die digitalen Fortschritte der Gattung.
Vertrauensmedium Radio?
nb: Laut mehreren aktuellen Studien genießt das Radio unter allen Mediengattungen das höchste Vertrauen in Deutschland. Macht dieser Umstand den Kanal auch für den Werbemarkt attraktiv?
Manuela Ulrich: Die Vertrauensaussage ist sehr pauschal, da sie sich auf die ganze Senderbandbreite bezieht. Wie bei allen Medien gibt es, auch innerhalb der Gattung Radio, signifikante Unterschiede. Manche Sender, insbesondere die öffentlich-rechtlichen, genießen sicherlich ein höheres Vertrauen als andere. Doch selbst bei dieser Aussage muss man wiederum differenzieren. Würde man beispielsweise AfD-Sympathisanten befragen, sprächen diese genau öffentlich-rechtlichen Sendern das Vertrauen ab. Für den Werbemarkt spielt das Vertrauen meiner Erfahrung nach ohnehin eine eher untergeordnete Rolle. Um sich bei einer Kampagne für die Gattung Radio und die geeigneten Sender zu entscheiden, gibt es wichtigere Faktoren: Die Qualität eines Senders beziehungsweise seines Programms und das in Kombination mit einer hohen Zielgruppenaffinität und guten Reichweite innerhalb der Hörerschaft.
Beethoven in Audio Digital
nb: Radio gilt als klassisches Abverkaufsmedium. Gleichzeitig betonen die Audioanbieter auch ihre Branding-Stärke. Wie bewerten Sie die Stärken von Radio?
Ulrich: Es gibt erfolgreiche Beispiele, die zeigen, dass beide Ziele durch Hörfunk erreicht werden können. Seine Stärken hat Radio nach unserer Erfahrung aber eher in der Aktivierung als im Branding.
nb: Wie beurteilen Sie die Fortschritte der Radiosender- und vermarkter in puncto Digitalisierung?
Ulrich: Klassisches UKW-Radio wird über alle Lebensphasen hinweg mal mehr, mal weniger stark frequentiert. Genauso unterschiedlich wie die Lebensphasen der Nutzer sind auch die Nutzungssituationen und das verwendete Endgerät. Dabei spielt es heute kaum noch eine Rolle, ob Audio online oder offline konsumiert wird. Ein Radiosender muss heute auf allen Endgeräten empfangbar sein, um seine Hörer zu erreichen. Das haben die meisten Radiosender erkannt. Einige Vorreiter haben frühzeitig ihr analoges Programm parallel als digitales Angebot erweitert. Per App oder Desktop bieten sie Zusatzfeatures an, um so noch besser auf die Bedürfnisse der eigenen Hörer einzugehen und noch näher an ihnen dran zu sein. Ein schönes Beispiel ist Klassikradio mit seinen Streams zu den verschiedensten Musikrichtungen oder einzelnen Musikern wie ‚Pure Beethoven‘. Aggregatoren wie radio.de haben es den ‚Faulen‘ in der Branche aber auch leicht gemacht, die eigene Digitalisierung etwas zu verschleppen. Bei den großen Vermarktern ist das Thema Audio Digital noch etwas träge. Das liegt zum Teil aber an den alten Strukturen, bei denen der Vertrieb von Audio nach wie vor nach on- und offline getrennt wird. Die Agenturen sind da sicherlich schon einen Schritt weiter. Aber es wird.
(17.7.2017, Quelle: new business, Ausgabe 29/2017)