20 Jahre MEDIAFABRIK

Mit der Agenda 2010 kam der Aufschwung. Zwar ist bis heute nicht jeder Sozialdemokrat begeistert von den Auswirkungen des vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder angestoßenen Modernisierungsprogramms für das deutsche Sozialsystem. Für die Mediafabrik aber brachte Schröders Agenda den Durchbruch. 20 Jahre alt wird die Berliner Mediaagentur in diesem Jahr – und dass sich das 54 Mann starke Unternehmen immer noch erfolgreich gegen sehr viel größere Wettbewerber positionieren kann, liegt nicht zuletzt am Standort. „In Berlin waren wir 1997 die erste Mediaagentur. Für Agenturen war das damals noch ein schwieriges Pflaster. Potenzielle Kunden – Markenartikler und große Dax-Unternehmen – waren und sind kaum vertreten“, erzählt Peter Peschel, der die Agentur vor zwei Jahrzehnten zusammen mit Andreas Kinsky gegründet hat. Aber Berlin ist der Sitz zahlreicher großer Verbände und seit 1999 auch der Bundesregierung.

Aus der Region heraus national planen
Für das Bundespresseamt und die Agenda 2010 trommelte die Mediafabrik 2003 in der ganzen Republik. Der SPD-Kanzler verdankte dem Programm vermutlich seine Abwahl, die Mediafabrik aber blieb mit der Regierung im Geschäft. Und das parteiunabhängig. Peschels Team begleitete etwa Ursula von der Leyen durch mehrere Ministerien. Bündnis 90/Die Grünen gehören gleichfalls zum Kundenstamm. „Für uns haben sich der Berliner Standort und die Affinität zur Politik ausgezahlt“, sagt Peschel, der sich seit Teenagertagen für deutsche Innenpolitik interessiert. „Gesprächspartner merken schnell, wenn man in diesem Thema drin ist.“ Dieses Verständnis für Politik und die lokale Nähe haben ihm auch den Zugang zu Kunden wie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der IG Metall verschafft. Für beide plant die Agentur national. „Eines sollte man nicht verwechseln“, betont Peschel, „unsere Kunden kommen zwar schwerpunktmäßig aus Berlin und aus Ost- und Norddeutschland. Bis auf wenige Kunden, wie etwa die Berliner Gasag, arbeiten wir für diese aber nicht regional, sondern national.“ 70 Prozent des Umsatzes von 40 Millionen Euro erwirtschaftet die Agentur national. 2015 kam mit IDM Südtirol der erste internationale Kunde hinzu. Die Bozener vermarkten die Region Südtirol europaweit in Sachen Export, Innovation, Tourismusmarketing und Agrarmarketing.

Internationale Expansion nicht um jeden Preis
Den Etat hat sich die Mediafabrik in einer Bietergemeinschaft mit der Agentur Zum goldenen Hirschen gesichert – eine europäische Ausschreibung, die man laut Peschel in der Endausscheidung gegen sechs Wettbewerber gewonnen hat. Mit den Hirschen pflegt man seit Jahren ein ebenso kooperatives wie freundschaftliches Miteinander. Gemeinsam waren die beiden Agenturen bereits in Sachen Agenda 2010 aktiv. Zusammen mit der Berliner Kreativagentur pitchte die Mediaagentur darüber hinaus 2012 um den Etat der AOK Baden-Württemberg und bekam den Zuschlag. Der Standort Stuttgart war damit geboren und wächst seither mit jedem weiteren Kunden. Neben der AOK sind das etwa die Frankfurter Rundschau sowie der Möbeleinkaufsverband Begros. Zu den sechs Mitarbeitern vor Ort sollen bald weitere hinzustoßen. Derzeit sucht Peschel nach einem Geschäftsführer, der von der baden-württembergischen Landeshauptstadt aus agiert. Lokale Präsenz findet der Mediafabrik-Chef wichtig. Ein Grund, weshalb er Capita Media initiiert hat. Der Verbund inhabergeführter Agenturen in zwölf europäischen Ländern wie Schweden, Niederlande, Polen und der Schweiz soll die Mediafabrik bei ihrer Arbeit für IDM Südtirol unterstützen. „Für eine internationale Planung ist es wichtig, verlässliche Partner und Expertise in jedem Land zu haben“, weiß Peschel. Natürlich sollen die Partner dann auch bei möglichen anderen Projekten mitarbeiten. Eine internationale Expansion im großen Maßstab ist aber nicht geplant. „Das ist mir zu viel“, sagt der Agenturgründer. „Wenn es sich ergibt – gut, aber wir forcieren nichts.“ Zumindest ist man gerüstet für alle Eventualitäten. Insgesamt setzt er eher auf den Mittelstand: „Wir haben keine Kunden, die mehr als 6 Millionen Euro im Jahr für Media ausgeben.“ Bei Budgets oberhalb dieser Grenze ist die Einkaufsorientierung der Kunden in der Regel so stark, dass die Networks ihre Größe ausspielen können. Darunter, so Peschels Erfahrung, legt der Kunde oft mehr Wert auf eine individuelle Beratung, auf Geschäftsführerkontakt, auf sehr persönlich eingebundene Mitarbeiter. Solche Faktoren werden dann ein bisschen höher gewichtet als der Einkauf.

Politik als Türöffner für die Wirtschaft
Arbeit hat die Agentur auch so genug. Politik und Verbände erwiesen sich als gute Türöffner in die freie Wirtschaft. Mit der Posterfabrik verfügt die Mediafabrik seit 2001 über einen eigenen Spezialmittler. Im Jahr 2010 kam die Onlinefabrik als Schwesteragentur dazu. „Wir waren damit natürlich vergleichsweise spät dran“, gibt der Agenturchef zu, „aber bis dahin konnten wir die Anforderungen der Kunden im Onlinebereich auch noch sehr gut selbst bewältigen.“ Doch auch Peschel ist klar, wohin die Reise geht. Heute arbeiten bereits 20 Leute für die Onlinefabrik. Das sind zwei Fünftel der gesamten Belegschaft, ist aber immer noch eine vergleichsweise bescheidene Dimension, wenn man das digitale Wettrüsten anderer Agenturen betrachtet. „Natürlich können große Networks in ganz anderem Maßstab investieren, dafür muss so eine Lösung bei uns dann aber auch nicht für 20 große Markenartikler in 50 verschiedenen Ländern passen.“ Die Onlinefabrik setzt auf maßgeschneiderte Tools, die auf den einzelnen Kunden angepasst sind. Im Mittelpunkt steht auch hier die Erfahrung der Mitarbeiter und nicht eine Artillerie an Technologie. „Smart Data, Programmatic Advertising und Echtzeitplanung können wir auch“, unterstreicht Peschel, aber eben nur dort, wo es sinnvoll ist. Für die Beurteilung dieser Sinnhaftigkeit hat Peschel nun in weitere Digitalexpertise investiert. Seit April führt Philipp Sonnhalter zusammen mit Andreas Kinsky die Geschäfte der Onlinefabrik.

Auf der Einkaufsliste der großen Networks
Mit dem ehemaligen Managing Partner der Dentsu-Aegis-Agentur Vizeum drehen die Berliner den Spieß um. „In den letzten zehn Jahren haben wir Übernahmeangebote von allen Top-10-Agenturen bekommen“, erzählt Peschel. Kein Wunder, immer noch ist die Mediafabrik die einzige Mediaagentur mit Hauptsitz Berlin. Die großen Agentur-Networks sind traditionell in Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt verwurzelt. In den letzten Jahren aber zieht es auch sie vermehrt in die Bundeshauptstadt. Keine Agentur, die dort nicht mindestens ein kleines Büro eröffnet hat, andere wie Publicis haben sich gleich ganze Agenturen gekauft, um in der Bundeshauptstadt Fuß zu fassen. „Viele haben sich um uns bemüht, wir sehen das als Kompliment“, sagt Peschel. Doch er und sein Kompagnon haben immer abgelehnt. „Das ist überhaupt nicht, was wir wollen. Wenn wir uns kaufen lassen würden, wäre die Idee, die wir mit der Mediafabrik verbinden, tot. Solange wir nicht müssen, machen wir das nicht.“
(08.06.2017, Quelle: HORIZONT, Ausgabe 23/2017)